In ihrer heutigen Pressekonferenz mit dem Caritas-Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Hermann Sollfrank, den Caritas -Vorständen Gabriele Stark-Angermeier und Thomas Schwarz sowie mit kmfv-Vorstand Ludwig Mittermeier haben der Diözesan-Caritasverband und der kmfv in einem Positionspapier ihre sozialpolitischen Forderungen im Zuge der Landtagswahl in Bayern vorgestellt. Von Parteien und politischen Vertreterinnen und Vertretern verlangen sie, dass soziale Aspekte, Solidarität und Mitmenschlichkeit im Wahlkampf eine größere Rolle spielen. Explodierende Lebensmittel- und Energiekosten und in der Folge steigende Armut stellen Träger sowie Klientinnen und Klienten in allen Bereichen der Sozialen Arbeit vor große Herausforderungen. Politischen Handlungsbedarf sehen die beiden Sozialverbände vor allem im Kampf gegen den Personalnotstand, einen Sparkurs im Sozialen Sektor und die ansteigende Wohnungsnot in München.
Im Rahmen der Pressekonferenz warnte Ludwig Mittermeier, Vorstand des kmfv, vor einer weiter ansteigenden Zahl wohnungsloser Menschen. „Aktuell sind in Bayern mehr als 20.000 Menschen akut wohnungslos. Darunter befinden sich allein in Niederbayern, Oberbayern und Schwaben 3,510 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren“. Viele stünden zudem an der Schwelle wohnungslos zu werden, da sie trotz Vollbeschäftigung keinen leistbaren Wohnraum mehr finden. Dies betreffe mittlerweile nicht nur Beschäftigte im Niedriglohnsektor, sondern auch Teile der sogenannten gesellschaftlichen Mitte. Sie alle eine, dass sie dann in vielen Fällen auf einen Platz in einer Einrichtung der Wohnungsnotfallhilfe angewiesen sind oder sein werden.
Christian L. (54) ein Bewohner des Clearinghauses Plinganserstraße des kmfv schilderte beispielhaft seine Situation. „Ich habe es am eigenen Leib erfahren, dass über wohnungslose Menschen oft schlecht gesprochen wird, aber man kann schneller wohnungslos werden als man denkt.“ Vor 9 Jahren musste er nach seiner Scheidung aus finanziellen Gründen seine Wohnung aufgegeben, später folgte dann auch der Arbeitsverlust als Selbständiger in der Gastronomie. Fünf Jahre lang lebte er insgesamt auf der Straße. Eine psychische Erkrankung und ein Rückenleiden waren die Folge. Ab 2018 machte er eine Umschulung zum psychologischen Berater, zunächst noch von der Straße aus. Seit 2019 lebt er nun im Clearinghaus Plinganserstraße des kmfv. Er hat sich in den neun Jahren immer wieder intensiv um eine Wohnung bemüht. Die zunächst fehlenden Anspruchsberechtigung auf eine Sozialwohnung sowie seine gesundheitliche Situation und die damit verbundenen Bedarfe, gestalten die Wohnungssuche jedoch äußerst schwierig. Seine Hoffnung auf eine eigene Wohnung gebe er jedoch nicht auf.
„Die Versorgung mit geeignetem und vor allem bezahlbaren Wohnraum ist die soziale Frage der Gegenwart, an der sich auch die Zukunft unserer Gesellschaft und Demokratie mitentscheidet. Daher muss die Wohnraumversorgung auf allen politischen Ebenen Priorität und eine höhere Dynamik erhalten sowie eine neue Bodenordnung vorangetrieben werden“, ergänzt Mittermeier. Kirche und Verbände der freien Wohlfahrtspflege würden ihren Beitrag leisten, indem sie – wo möglich – selbst bezahlbaren Wohnraum schaffen oder Wohnungen in ihrem Bestand verstärkt an von Armut Betroffene vergeben.
Die bisher erfolgten Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene der letzten 10 bis 20 Jahre seien jedoch unzureichend. Ein „weiter so“ oder „der Markt wird es schon richten“ dürfe es in dieser Situation nicht mehr geben. Gute Wohnungs(bau)politik sei eine der zentralen gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen unseres Landes. Sie erfordere wesentliche Anstrengungen im Bund und in Bayern.
Vor diesem Hintergrund fordert der kmfv:
- mehr bezahlbaren Wohnraum für Durchschnittsverdiener, Rentnerinnen und Rentner, Menschen im Sozialleistungsbezug und Menschen mit besonderen Bedarfen,
- mehr Sozialwohnungen, genossenschaftlichen und gemeinnützigen Wohnungsbau sowie Wohnungen für Mitarbeitende
- eine starke staatliche Förderung für den barrierefreien und altersgerechten Um- und Neubau von Wohnungen und Häusern sowie
- das Unterbinden von Bodenspekulation.
Abschließend sprach Mittermeier eine Einladung an die künftige Staatsregierung aus, sich mit dem kmfv, der täglich mit der verzweifelten Wohnsituation von Menschen in Bayern konfrontiert ist, und anderen Trägern an einen Tisch zu setzen, um an konkreten Lösungen zu arbeiten. Wohnungslosigkeit und galoppierenden Mieten müssten bekämpft werden. Hier könne und müsse Bayern eine Vorreiterrolle übernehmen.
Die weiteren Positionen aus der Pressekonferenz:
- Bessere finanzielle und personelle Ausstattung
„Damit Soziale Arbeit Probleme und Krisen präventiv und reaktiv lösen können, müsse sie angemessen ausgestattet sein – personell wie finanziell.“ (Prof. Dr. Hermann Sollfrank, Caritas-Vorstandsvorsitzender)
- Qualifizierung von Quereinsteigenden sowie Migrantinnen und Migranten
„Wir müssen mehr Menschen schulen und qualifizieren. Wir müssen Hürden für Quereinstiege abbauen und mehr Menschen für soziale Berufe interessieren. Und mehr Menschen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit hier ausbilden.“ (Gabriele Stark-Angermeier, Vorständin Caritas)
- Kein Sparkurs in der systemrelevanten sozialen Infrastruktur
„Wir fordern zeitnahe und bedarfsorientierte finanzielle Anpassungen sowie eine auskömmliche und dauerhafte Projektfinanzierung bis hin zur Vollfinanzierung.“ (Thomas Schwarz, Vorstand Caritas)
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